Jugendliche übernehmen Patenschaft für Schüler mit ausländischen Wurzeln
Erdbeereis mit Achim
Integration muss früh anfangen. Zum Beispiel in der Schule. Deshalb kümmern sich in der Sögeler Oberschule am Schloss 18 Jugendliche um Klassenkameraden, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind – wie Paten um ihre Patenkinder.
„Was willst du für ein Eis?“ fragt Robert Jipa und schiebt Achim Costei die große Speisekarte hinüber. Der guckt sich mit Malte Kessen in aller Ruhe das reichhaltige Angebot an – die Fotos machen den drei Jungs Appetit. Etwas mit Obst soll es heute sein. Und so entscheiden sich die 13- und 14-Jährigen für Heidelbeer, Erdbeer und Himbeer mit einem dicken Tuff Sahne obendrauf. Als die stattlichen Becher ein paar Minuten später auf dem Tisch stehen, genießt Achim mit sichtlichem Vergnügen den ersten Löffel und sagt: „Eis ist das beste Essen der Welt“.
Er sagt das auf rumänisch, denn Achim lebt erst seit kurzer Zeit in Sögel. Robert übersetzt für ihn. Nicht nur jetzt, nicht nur in der Eisdiele. Sondern auch im Unterricht, auf dem Pausenhof oder auf dem Fußballfeld. Malte Kessen und Robert Jipa sind zwei der 18 „Integrationspaten“, die sich seit einigen Wochen an der Schule am Schloss in Sögel engagieren. Die Kinder und Jugendlichen kümmern sich um ihre Klassenkameraden, die aus Rumänien, Polen, Iran oder Russland ins Emsland gekommen sind. Die sich hier fremd und unsicher fühlen, die sich erst zurecht finden müssen und Freunde kennenlernen wollen. Und genau dabei helfen Malte und Robert auch ihrem „Patenkind“ Achim.
Warum sie sich für dieses neue Pilotprojekt der Oberschule und des Marstalls Clemenswerth gleich gemeldet haben? „Ist doch klasse, wenn man jemanden helfen kann, der neu bei uns ist“, bringt Malte die Motivation der beiden Paten-Jungs auf den Punkt. Sich für andere freiwillig zu engagieren, ist für die beiden Jugendlichen selbstverständlich. Malte ist Klassensprecher, macht im Schülerrat und in der Schülerband mit. Und die trägt schon seit mehreren Jahren viele Aktionen seiner „Schule ohne Rassismus“ mit. Und Robert kann gut nachfühlen, wie sich Kinder mit ausländischen Wurzeln bei ihrer Ankunft in Deutschland fühlen. Er stammt aus Rumänien, lebt jetzt mehrere Jahre in Sögel und spricht mittlerweile richtig gut deutsch. Deshalb hilft er schon länger Schülern mit Migrationshintergrund und deren Eltern, sich in der neuen Umgebung zu verständigen.
Auch ein Modell für die Arbeit mit Flüchtlingen?
„Dafür hat er auch den Courage-Preis unserer Schule bekommen“, erzählt Marion Geers – eine ganz besondere Auszeichnung. Marion Geers ist die didaktische Leiterin der Schule. Gemeinsam mit Maria Schmees, im Marstall Clemenswerth als neue Referentin für die Schwerpunkte Integration und Migration zuständig, begleitet sie die Paten bei ihrem Engagement. Es geht darum, Hemmschwellen abzubauen und Kontakte zu schaffen – und auch mit Vorurteilen aufzuräumen. So kann Integration früh gelingen. Bei einer Schulung zu Beginn des Projekts haben die Schüler genau darüber gesprochen. Könnte das vielleicht auch ein Modell sein für die Arbeit mit Flüchtlingen? Maria Schmees nickt und sagt: „Wir sind da auf einem richtigen Weg“.
Wer die drei Jungen beim Eisessen beobachtet, glaubt das sofort. Robert und Malte haben Achim freundschaftlich in die Mitte genommen – witzeln und lachen mit ihm, schmieden Pläne für den nächsten Tag. Denn sie begleiten den 14-Jährigen nicht nur in der Schule und auf dem Pausenhof, sondern auch nachmittags in der Freizeit. Spielen Fußball und Basketball zusammen, besuchen ihn zu Hause – zeigen ihm alles, „was in Sögel so los ist“. Robert lacht und sagt mit einem Blick auf Achim: „Wir sind irgendwie immer zu dritt unterwegs.“
Petra Diek-Münchow