Holocaust-Überlebende berichtete in Schule am Schloss über Gräueltaten der Nazis

pm Sögel. „Du wirst überleben, und dann wirst du erzählen, was mit uns geschehen ist“, so lautete der Auftrag, den Erna de Vries bei der Trennung von ihrer Mutter im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau erhalten hatte.
Selbst im Alter von 91 Jahren folgt sie dieser Aufforderung schon seit mehr als 20 Jahren und war daher auf Einladung von Angela Eilermann, Religionslehrerin an der Schule am Schloss, kürzlich wieder in Sögel. Ihren Besuch nutzte die Schule als wichtigen Beitrag, um die Schüler für das Thema Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu sensibilisieren und um sie zu warnen, dass in Zukunft nicht wieder ähnliche Gräuel geschehen.
Fächerübergreifend hatten sich die Schüler auf den Besuch von Erna de Vries im Geschichts- und Religionsunterricht vorbereitet und lauschten nun aufmerksam und tief bewegt den Worten der Zeitzeugin.
Erna de Vries begann ihre Schilderung damit, dass ihr Vater Protestant war und ihre Mutter Jüdin. Kurz nach Hitlers Machtergreifung 1933 begannen die Anfeindungen gegen jüdische Bürger: Bekannte grüßten nicht mehr, beim Kaufmann wurde sie angefeindet, sie musste die öffentliche Schule verlassen und durfte nicht mehr mit der Straßenbahn fahren.
Sie war 15 Jahre alt, als im November 1938 eine aufgebrachte Menge die Wohnung ihrer Familie verwüstete und den gesamten Hausrat zerstörte. Später wurden Mutter und Tochter nach Auschwitz deportiert. Sie gehörten zu einem Arbeitskommando, das in einem Teich Schilf schneiden musste. Jeden Morgen führte der Weg die Gruppe der Arbeiterinnen an den Krematorien vorbei. „Wir wussten genau, was auch mit uns passieren sollte“, berichtete de Vries. Durch das stundenlange Stehen im Teichwasser infizierten sich ihre Beine, und die großen Wunden verheilten nicht. Ein Arzt, der selektierte und entschied, wer arbeitsfähig sei, schickte Erna in den Todesblock Nr. 25, wo sie vergast werden sollte. Eine bedrückende Stille herrschte, und die Schüler lauschten betroffen den weiteren Schilderungen. Doch weil ihr Vater evangelisch gewesen war, gehörte de Vries zu den 84 Frauen, die an diesem Tag als sogenannte Halbjüdinnen von Auschwitz in das KZ Ravensbrück gebracht wurden, wo sie Kriegsmaterial produzieren sollten. Es gelang Erna, noch einmal ihre Mutter zu treffen, um sich von ihr zu verabschieden. Dabei erhielt sie von ihrer Mutter ihren Auftrag, bevor diese verstarb.
Nachdem im April 1945 die Produktion in Ravensbrück eingestellt wurde, trieben Wachleute die geschwächten KZ-Häftlinge in den Todesmarsch. „Nach sieben Tagen konnte ich nicht mehr und wollte völlig erschöpft einfach nur liegen bleiben.“ Doch ihre Freundinnen hoben sie hoch und motivierten sie zum Weitergehen. In der Ferne sahen sie plötzlich, wie sich Leute im vorderen Feld des Trecks umarmten. Ein amerikanischer Panzer hatte die Häftlinge erreicht. „Da standen wir auf der Straße und waren plötzlich frei.“